Caramini 10/2021 Seite 96-97

Für Adrenalin-Junkies

12 Zylinder und rund 800 PS Systemleistung im Rücken, das können allenfalls die Gamer beim Video-Spiel Gran Turismo Sport nachempfinden, für das Lamborghini den Vision GT geschaffen hat. Der hat sein Aggregat beim Sián FKP geborgt – und beide sind als günstige 18er von Maisto und Bburago zu haben. So bleiben die Hypercars keine Utopie in der Vitrine.

Die Frage, ob es sich hier um ein Auto oder einen Kampfjet handelt, können Gamer auf Anhieb beantworten. Alle Nicht-Gamer runzeln erst einmal die Stirn über das, was die Audi-Tochter Lamborghini 2019 auf tatsächlich traditionell übliche vier Räder gestellt hat. Es ist die Realität gewordene Vision eines Gran Turismo, eine Konzeptstudie der wilden Art, von der wir trotz mannigfacher Verbreitung nicht befürchten müssen, dass sie eines Tages die engen Parklücken vor den Bäckerläden verstopfen. Der Vision ist als 1:18-Vorlage für das legendäre Play-Station-Videospiel Gran Turismo Sport entwickelt worden, und damit reihte sich Lamborghini recht spät in die illustre Familie von Sportwagenherstellern ein, die ihren Visionen vom Supersportwagen freien Lauf lassen konnten. Je abgehobener, desto höher der Adrenalinausstoß beim Videospiel. Der wird genährt durch die Vorstellung, in einem echten Lambo zu sitzen, nicht in einer rein utopischen Studie. Denn der V12 Vision GT stellt – im Gegensatz zu anderen Sportwagenkonzepten der Videospielserie – eine klare Verbindung zu aktuellen Lamborghini-Fahrzeugen her.

So futuristisch dieses Gefährt auch aussieht und eher an den neuen Privatwagen von Batman erinnert als an ein Spielzeug von reichen Privatracern, die ganz alleine ihre Runden drehen müssen: Der Vision GT ist ein Einsitzer, bietet kein Platz für einen Beifahrer oder eine Beifahrerin, ob daneben oder – wie in einem Kampfjet – dahinter sitzend. Dem Gamer kann das einerlei sein, denn beim Spielen bedient er alleine die Steuerknöpfe – und auf seinem realen Sofa ist links oder rechts meist noch Platz.

So wild dieser Gran Turismo gezeichnet zeichnet ist, der Lambo V12 Vision GT ist schon auf den ersten Blick als Lamborghini erkennbar. Denn Lamborghini ist bei dieser Videospiel-Studie seinen elementaren Designelementen treu geblieben. Frontleuchten im aktuellen Y-Design, selbst im zerklüfteten Heck mit dem riesigen Flügel setzt das Rücklicht im Y-Design sein unverkennbares Zeichen der Markenidentität. Die dazwischenliegende, von den Kotflügeln abgesetzte, sehr schlanke Karosserie wurde kompromisslos auf Aerodynamik getrimmt.

Selbst die Seitenfenster deuten mit ihrer Sechseckform an, aus welchem Stall der Italiener kommt, denn sie erinnern sehr an die 1967 in Genf vorgestellte Studie Marzal. Alles andere ist eben viel futuristischer und natürlich viel potenter. Schöpfte der Marzal noch – für heutige Verhältnisse magere – 176 PS aus einem 2-Liter-Ottomotor, so sorgt das V12-Aggregat im Hybrid-Konzept des Vision GT für eine Systemleistung von 819 PS. Da schuf Lamborghini keine Vision, sondern baute auf Realität, denn das vor der Hinterachse verstaute Aggregat ist das gleiche, das auch den Sián antreibt. Und den Sián können sich 63 Käufer tatsächlich nicht für die Play Station, sondern für die Aufwertung der eigenen Garage kaufen.

Damit der Vision GT nicht nur auf der Mattscheibe sichtbar wird, müssen Gamer wie Autofans wohl auf ein Modell zurückgreifen. Maisto macht ihnen das im Maßstab 1:18 erschwinglich und erfühlbar, sogar ein bisschen lenkbar, obwohl die Radhäuser komplett mit riesigen Rädern ausgefüllt sind, weil sich die Kotflügel wie eine zweite Haut um die Reifen schmiegen.

Mit leuchtenden Leuchten im Y-Design kann das Modell zwar nicht aufwarten, aber die aufregenden Formen wiedergeben. Und das tut es mit hoher Vorbildtreue in einem Mix aus Metall und Kunststoff. Die feingezeichnete Karosserie hinterlässt einen stabilen Eindruck, wirkt wie aus einem Guss, und man muss schon sehr genau hinsehen um zu erkennen, dass der Vision GT aus Maistos Special-Edition ein all-open-Modell ist. Was bedeutet, dass sich die weit ausladende Heckabdeckung über dem Mittelmotor öffnen lässt. Dabei ist eher die Position der geöffneten Heckhaube spektakulär als das, was darunter zum Vorschein kommt – denn der Motorraum schein ebenfalls Ergebnis eines aerodynamischen Prozesses zu sein.

Und dann öffnet vorne wohl der Kofferraumdeckel. Kofferraum? Nein, nein. Die Klappe vorne geht weiter auf, als es für ein Kofferräumchen nötig wäre. Wer es geschafft hat, in das schmale Spaltmaß einzugreifen (uns half das bekannte Kunststoff-Werkzeug von AUTOart), dem öffnet sich eine lange, schlanke Haube. Nun hat der Video-Gamer den Innenraum  des realen Hypercarmodells vor sich und fühlt sich dabei eher in einen Kampfjet versetzt. Einstieg weder links noch rechts, man steigt wohl von vorne in die Kapsel ein und nimmt Platz. Wie es sich anfühlt, nun hinter dem futuristisch anmutenden Lenkrad zu sitzen und seine Informationen nicht aus einer Sammlung klassischer Uhren, sondern von einem Head-up-display (HUD) abzulesen, können nur echte Gamer nachempfinden, die den GT seit 2020 in ihrem virtuellen Videospiel einsetzen können. Der reale 18er von Maisto ist nun verfügbar.

Maisto 36454 Lamborghini V12 Vision GT, grünmetallic/schwarz, Metall/Kunststoff, Maßstab 1:18, ca. 40 €, (auch in Blau/Schwarz unter 36454B) erhältlich.

Sián: Hier lässt sich alles öffnen

Was man sich – den entsprechenden Geldbeutel vorausgesetzt – in die große Garage stellen könnte, ist der Sián FKP 37, der erste Hybrid-V12 des Sportwagenherstellers, dessen Aggregat auch die Studie Vision GT beflügelt. Nur 63 Exemplare stellt Lamborghini von Sián her, der 2019 offziell auf der IAA vorgestellt wurde. Er läuft beim italienischen Sportwagenhersteller unter der Rubrik „Limitierte Auflage“, denn er will etwas ganz Besonderes sein, und darauf deutet schon sein Name hin, der vollständig Sián FKP 37 heißt. „Sián“, das bedeutet im Bologneser  Dialekt „Blitz“, ein Synonym für die Schnelligkeit eines Automobils. In Zahlen ausgedrückt: über 350 km/h. Der Sián ist ein Hightech-Automobil mit Voll-Carbonfaser-Karosserie, und weil es der Stolz seiner Ingenieure ist, trägt es das Kürzel „FKP 37“ im Namen. „FKP“, das sind die Initialen des 2019 verstorbenen früheren Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns, Ferdinand Karl Piëch, Jahrgang 1937. Er saß am Unternehmensruder, als Volkswagen 1998 Lamborghini übernahm.

Als Modell macht Bburago den Sián erschwinglich und wird den schnellsten Lamborghini sicher viel, viel öfter bauen als nur in 63 Exemplaren. Nach der mattoliven Erstauslieferung und einer gelb-schwarzen Farbvariante ist das Hypercar-Modell nun in Rotmetallic erhältlich, und dieses Rot korrespondiert auch im Innenraum. Die gestreckte, geduckte Form mit ihren vielen Kanten, Furchen, Y-Designs ist korrekt eingefangen. Die Karosserie ist aus dünnem, absolut glatten Metall akkurat geformt, und wo sich erkennbare, aber sehr enge Spaltmaße zeigen, vermutet man richtig: Front- und Motorhaube im Heck sowie die beiden Flügeltüren kann man öffnen. Doch schon durch die große Frontscheibe sieht man, dass Bburago das feine Interieur in der gebührenden Anmutung nachgebildet hat, die  ittelkonsole in Carbonoptik ist mit winzigen beschrifteten Bedienknöpfen ausgestattet, sehr originalgetreu. Nur, dass Armaturentafeln und Sitze bei diesem Preis aus Kunststoff statt aus echtem Leder sind.

Bburago 18-11046R Lamborghini Sián FKP 37, Diecast, rotmetallic, Maßstab 1:18, ca. 40 €.

Hans-Joachim Gilbert