Bill Mitchell

Caramini 09/2019 Seite 40-41

Der perfekte Sitz

Der Camaro der zweiten Generation wurde von innen nach außen konstruiert, um ein Pony Car mit perfektem Handling zu schaffen. Maisto hat seinen Camaro 1971 sicherlich von außen nach innen konstruiert. Wie gut ist das Low-Price-Modell der Special Edition?

Es ist eine alte Verkäuferweisheit: Win on Sunday, sell on Monday. Das trifft besonders für Sportwagen zu, die in den USA Pony Cars heißen und deren Wettbewerbsversionen sich auf den Rennstrecken beweisen müssen. Der Autohersteller Ford hatte Mitte der 1960er Jahre mit dem Mustang seine Nase weit nach vorne gestreckt, da konnte General Motors nicht lange auf sich warten lassen. Die damalige Antwort aus Detroit hieß Camaro, heute ein gern gesehener Klassiker, ein Coupé ohne B-Säulen, mit keckem Hüftschwung und großen Türen für einen bequemen Einstieg, das neben dem Fahrer noch Platz lässt für eine Freundin – oder der Fahrerin noch Platz für einen Freund. Hinten: nur Notsitze für die Kids. Das passt zum Namen des Autos, laut Chevrolet leite sich der Name Camaro aus dem Französischen camarade ab, das Kamerad oder Freund bedeutet. Maisto hat den Camaro mit dem Z /28 Package umgesetzt, eine Special Performance-Variante, welche die neue Karosserie für den Motorsport homologisieren sollte. Unter der Haube arbeiteten daher auch sogenannte Kleinblockmotoren, die mit Schaltgetriebe und bei höheren Drehzahlen für flotte Fahrleistungen sorgten, etwa der LT-1, der bei 6000 U/min 360 PS entwickelte. Äußerlich sind breite Dekorstreifen an Motorhaube und Heck das Erkennungsmerkmal. Hierzulande bietet der Importeur Bauer Modellspielwaren den Camaro in Blau mit schwarzen Streifen an, in den USA sind auch schon Versionen Orange/Schwarz und Blau/Weiß angekündigt.

In der Tat dominierte die Z/28-Ausführung die Trans-Am-Staffeln der Jahre 1968 und 1969. Schon der 69er Camaro zeigte ein muskulöses Aussehen, das den Geschmack des anvisierten Publikums traf. Chevrolet brauchte sein Pony Car nur bauen und verkaufen und sich über Finanzierungsangebote keine Gedanken machen. Und Chevrolet verkaufte den ersten Camaro sogar länger als geplant, denn während Woodstock die Jugend noch Wochen nach dem Festival elektrisierte, verzögerte ein Streik im GM-Werk den Wechsel auf das 1970er Modell bis in den Dezember 1969 hinein.

Der Camaro der zweiten Generation war ein Auto, wie GM-Styling-Chef Bill Mitchell es sich wünschte. Niedrig, breit, lang, gut zu handhaben, gemacht für den Durchschnittsamerikaner und doch behaftet mit dem exotischen Reiz eines Ferrari, Jaguar oder Porsche. Eine geteilte Stoßstange prägt die Front mit der langen Motorhaube, das kurze Heck mit dem durchgehenden Spoiler endet in einer kamm-ähnlichen Rücklichtblende mit vier runden Leuchteinheiten – unverkennbar steckt da ein bisschen Corvette in diesem Pony-Car, das von innen heraus entwickelt wurde. Die perfekte Sitzposition war das Maß der Dinge. Erst, als die Ingenieure das Gestühl am richtigen Platz hatten, nahmen die Arbeiten am vorderen Hilfsrahmen und am Design ihren Lauf. Für ein gutes Handling sollte der Motor zudem tief und so weit wie möglich nach hinten versetzt platziert werden, um eine ausgewogene Gewichtsverteilung zu erreichen.

Maisto hat die Fastback-Linien des Coupés in der 1971-Ausführung trefflich umgesetzt, die breiten schwarzen Streifen strecken das Fahrzeug abermals und geben einen Vorgeschmack, was den Betrachter erwartet: ein sportliches Ambiente. In der preisgünstigen Special Edition von Maisto tritt das Diecast-Modell als All-Opener auf, mit geringen, gleichmäßigen Spaltmaßen und passgenau eingesetzten beweglichen Teilen. Die Motorhaube öffnet infolge der Scharnierkonstruktion nur in einem flachen Winkel, doch der reicht, um den Blick auf ein Motorrelief mit einem chromglänzenden Luftfiltertopf zu eröffnen.
Am wichtigsten sind die weit ausladenden Türen, denn trotz der optisch heruntergelassenen Seitenscheiben sieht man nach dem Öffnen noch mehr vom Innenraum, der schwarz und in Kunststoff geformt ist. Mit den Augen kann man sich hineinfühlen, wie sich das Fahren eines solchen echten Ponycars anfühlen kann: Man drückt sich tief in die Schalensitze mit hoher Rückenlehne, um
auf der weit ausladenden Bedientafel alle sechs Rundinstrumente im Blick zu haben, darunter eine elektrische Uhr und eine übergroße Tankanzeige. Diese Kommunikationszentrale ist garniert von klassischen Knöpfen, die sich noch intuitiv bedienen lassen. Die linke Hand am NK4-Sportlenkrad, die rechte Hand am legendären Hufeisenschieber für die Wahl der Getriebeübersetzung. Gegen ein Abwürgen des Motors halfen hohe Drehzahlen, und Kenner sagen: Es war schwer, den davoneilenden Camaro ohne quietschende Reifen zu fahren. Schließen wir die Tür, lassen den kleinen Camaro auf seinen Gummiwalzen quietschfrei ein Stück rollen, Goodyear Polyglas-Reifen waren damals bevorzugt aufgezogen. Die Fünfarmfelgen, die an das Fuchs-Design erinnern, hat Maisto mit etwas viel Chromglanz ausgestattet, ein etwas fett aufgetragener Glanzpunkt. Viel besser gefallen da die mattsilbern und mit trennscharfen Farbkanten abgesetzten Einfassungen von Türrahmen, Front- und Heckscheibe sowie die mit Farbe dekorierten Türgriffe. Auch Frontstoßstangen und Scheinwerfereinsätze sind, wie der schwarze Frontspoiler, passgenau geformt,
und wenn der Kühlergrill mit dem dezenten Z/28-Emblem nun kein strukturierter, sondern ein durchbrochener Kunststoff wäre, hätte das die Front dieses preiswerten Camaro noch ein Stück aufgewertet. Man kann dem legendären Pony Car durchaus in die Augen blicken und von einer Fahrt über amerikanische Highways träumen. 30 000 bis 40 000 US-Dollar muss man heute in einen brauchbaren gebrauchten Camaro investieren, für den Maisto-18er reichen rund 30 €. Das ist doch ein Wort.

531131 Chevrolet Camaro 1971 Z/28, blaumetallic mit schwarzen Streifen, Fertigmodell Diecast, ca. 30 €.

Hans-Joachim Gilbert