Caramini 05/2021 Seite 102-103

Puristischer und wilder trat ein Porsche 911 nie zuvor auf. Mit 500 PS im Heck und vielen
technischen Raffinessen trieb vor zehn Jahren der GT3 RS 4.0 das Boxermotor-Konzept
auf eine neue Spitze. Was sich 600 Auserwählte nach dem Ausritt in die Garage stellen
konnten, kommt unter dem Label Bburago für die Volks-Vitrine, im Format 1:18.

Wer kaufte sich solch ein Auto? Natürlich nur jemand, der es sich leisten konnte oder eine Bank hatte, die es sich leisten konnte und wollte, ihrem Kunden solch ein Auto zu finanzieren. Ein Auto, das schneller verschwunden sein konnte als einem lieb war. Ein Auto, das schneller davon zischte als manchem lieb war. In 12,3 Sekunden auf Tempo 200, Spitze 310 km/h, mit solchen Werten galt der 911 GT3 RS 4.0, der zwischen Mai 2011 und August 2012 gebaut, in dieser Zeit als der wildeste und puristischste 911, den die Sportwagenschmiede bis dato serienmäßig auf die Räder gestellt hatte. Bei 600 Exemplaren, die vom RS 4.0 gebaut wurden, kann man gut von Serie sprechen. Der Großteil durfte in sportlichen Wettbewerben antreten, etwa ein Sechstel der Fahrzeuge wurde ausgeliefert, um den Puls privater Fahrer anzutreiben. Mal eben den edlen Chronographen ablegen und gegen eine multifunktionale Uhr austauschen, um später das in Pulsschlägen dokumentierte Fahrerlebnis auf der digitalen Landkarte nachverfolgen zu können, das konnte man schon vor zehn Jahren. Rein in die Haarnadelkurve und voll heraus beschleunigen, Puls 120, steigender Blutdruck. Aber vorher nicht vergessen, einen Betablocker einzuwerfen.

Der GT3 RS 4.0 war keine sportlich designte Sänfte. Bei Porsche hatte man in der Konstruktion nichts vergessen, was Fahren zum Fahrspaß machen sollte. Was dem Wagen ab Werk versagt wurde, fehlt ihm bewusst. Etwa eine gewichtige Klimaanlage. Das Kernprinzip für einen kühlen Kopf am Lenkrad hieß ganz einfach: Belüftung. Das spart Gewicht, vollgetankt bringt der 911 GT3 RS 4.0 nur 1410 Kilogramm auf die Waage. Und ein Radio? Es braucht keinen Dudelfunk, kein Rundfunk-Streichorchester. Die auf vier Liter Hubraum erweiterte Konzerthalle sitzt im Heck, gespielt wird Mezgers letzte Sinfonie, jeglicher Verzicht auf Geräuschdämmung sorgt für ungetrübten Hörgenuss. Hans Mezger hieß der Konstrukteur des Boxer-Motors. Der im Juni 2020 im Alter von 90 Jahren verstorbene Ingenieur gilt als Vater des 911-Triebwerks, das bei dieser Sonderserie in seiner bis dahin leistungsfähigsten Evolutionsstufe aufhorchen ließ. Dieses wassergekühlte Vier-Liter-Triebwerk M97 schöpft ohne Hilfe eines Turboladers 500 Pferdestärken aus seinen sechs Zylindern. Das von Mezger konstruierte Kurbelgehäuse des ursprünglich luftgekühlten Sechsylinder-Boxers findet sogar in Baureihen mit Wasserkühlung Verwendung.

Die seit 1999 gebauten Sportversionen der Porsche 911 mit wassergekühltem Saugmotor heißen GT3, ihre luftgekühlten Vorgänger hießen nicht GT2, sondern Carrera RS. Solch puristische Fahrmaschinen im Gewand des 911 faszinieren die weltweite Porsche-Fangemeinde, sie zogen und ziehen Modelle diverser Maßstäbe und Preisklassen nach sich, zumal Porsche einen speziellen 911er nach dem anderen aus dem Hut zaubert. Da blieb die May Cheong Group aus Hongkong nicht außen vor und legte für ihr weltweites Vertriebsnetz den 2011er GT 3 erstmals 2015 auf, in Weiß und Blau auf, für den Weißen war gar in einer Exklusivserie das Wunschkennzeichen lieferbar. Mal stand Maisto Special Edition auf der Verpackung,
mal Bburago.

Jetzt kommt der puristische 911er auch hierzulande in den Handel, als schwarz lackierter Bburago: ein grifffester Metallbody mit Plastikteilen, es öffnen Türen, Fronthaube und die mit einem unübersehbaren Flügelwerk bestückte Heckklappe, die einen Spaltbreit zum Motorraum öffnet. Rundum drehbare und vorne ein bisschen einschlagbare Räder, innen ein sich mitdrehendes Lenkrad, dazu ein umfangreich mehrfarbig nachgebildeter Innenraum mit rot ausgelegten Sitzflächen und Rückenlehnen, der durch die offenen Seitenscheiben bestens zu betrachten ist – durch die passgenau geformten, aber leicht schlierigen Scheiben ist das etwas schwieriger. Eingesetzte Scheinwerfer und Rückleuchten sind auf hohem Niveau, die formintegrierten Türgriffe in der Diecastkarosserie ein erkennbares Zugeständnis, weil man dieses Modell nicht mit der Pinzette anfassen muss. Zum äußerlichen spezifischen Schmuckwerk gehören ein rot umrandeter silberner Längsstreifen, der auffällige, nach vorne gerichtete „Porsche“-Schriftzug auf dem Heckflügel, Frontspoiler mit Flaps und seitlich silberne Flapssowie der „RS 4.0“-Schriftzug am unteren Türrand, silberne Zehnarm-Felgen und rote Bremsbacken – so sieht die neue und farblich wohl eindruckvollste Kampfansage eines GT3 aus. Unter dem Aspekt des Gebrauchsmodells hat Bburago einen Detaillierungsgrad umgesetzt, der in der 40-Euro-Klasse immer noch beachtlich ist. Dass das Original inzwischen zehn Jahre alt ist, macht die Faszination nicht geringer. Der aktuelle echte 911 GT3 bietet zu Preisen ab rund 170 000 € nur 10 PS mehr als der Wilde von 2011.

Für Aufsteiger und Profi-Sammler gab‘s vor drei Jahren formneuen Nachschub, den 911 (Typ 991) GT3 RS 4.0 2015 – bei Minichamps als geschlossenes, aber lenkbares Zinkspritzgussmodell (ca. 90 €), bei AUTOart als All-Opener in Kunststoff, auch lenkbar, für knapp 200 € (siehe Caramini 6/2018, Seiten 6 sowie 8–9). Das AUToart-Modell ist natürlich eine andere Welt, da haben die Seitenflächen der Schalensitze eine andere Struktur als die Sitzflächen, wird die geöffnete Tür durch eine Feder gehalten, und die winzige Kofferraummulde ist beflockt. Da will der GT3 von Bburago keine Konkurrenz machen und bringt mit, was er mitbringen soll. Eines wäre verzichtbar gewesen: das in der Schriftgröße nicht korrekte Heckkennzeichen S – GO …, das vorne sowieso fehlt.

18-11036 Porsche 911 (997) GT3 RS 4.0 von 2011 in Schwarz. Fertigmodell Diecast mit Kunststoffteilen, Maßstab 1:18, ca. 40 €.

Hans-Joachim Gilbert