Caramini 11/2020 Seite 26-27

Eine Prise Nostalgie

Ferrari schuf ein besonderes Pärchen seiner Pferdchen, zu besetzen mit ein oder zwei Personen, und nannte es SP1 und SP2. Zielgruppe: Liebhaber der Marke und automobile Sammler. An die moderne Übersetzung der Formensprache aus den 50er Jahren hat sich nun Bburago herangewagt und macht aus dem Besonderen einen Volks-Sportler.

Ascari, Fangio, Collins, Hill, von Trips – sie alle würden zu diesem Monza SP1 passen. Die Ledermütze übers Hauptstreifen, Rennbrille aufziehen, die schmale Seitentüre hochklappen und mit geübtem Schwung hinterm Lenkrad Platz nehmen. Was würden diese Meister fühlen, die sich vor mehr als sechs Jahrzehnten mit ihrem ganzen Wagemut hinter ihre Lenkräder mit dem Ferrari-Pferdchen klemmten und in der Königsklasse des Motorsports um Sieg und Ehre fuhren – bis in den Tod hinein? Was würden sie heute sagen? Vielleicht, dass sie sich schon vor 60 Jahren so ein Auto gewünscht hätten wie den Monza SP1. Ein Auto, in dem man als Fahrer alleine auf sich gestellt ist, begleitet von 810 Pferdchen aus zwölf Zylindern unter der Motorhaube – und den Pferdchen auf den ringsum an der Karosserie verteilten Ferrari-Enblemen. Eine Karosserie, die unverkennbar von Stilelementen der 50er Jahre geprägt ist und 2018 den Auftakt zu Ferraris Design-Linie „Icona“ bildete, die Formgebung von damals mit der Technik von heute vereint. Dazu gehört auch die Leichtbauweise der Karosserie, selbstverständlich aus Karbon, das Auto ist nur 1500 Kilogramm schwer.

Nein, nicht eine einzelne Karosserie. Ferrari schuf für seine passionierten Kunden und Sammler ein Traumpärchen, nämlich Monza SP1 und Monza SP2; der eine ein Ein-, der andere ein Zweisitzer und 20 Kilogramm schwerer. Beide lehnen sich im Design an die legendären Rennwagen 750 Monza und 860 Monza an und sollen mit ihrer modernen Ästhetik einen zeitlosen Stil neu interpretieren. Die V12-Motoren der beiden Sonderserien-Sportwagen stammen vom Ferrari 812 Superfast ab und schöpfen aus 6,5 Litern Hubraum satte 810 PS, bis Tempo 100 vergehen 2,9 Sekunden, und wenn der Fahrer beherzt weiter aufs Gaspedal drückt, enteilt die Tachonadel über die 300-Markierung. Wohin nur muss man so schnell fahren? Vom mondänen Baden-Baden aus über kurvige Landstraßen zur Bühlerhöhe, um der Einsamkeit hinterm Lenkrad des SP1 zu enteilen? Wissend, dass am Ziel keine schwarz-weiße Flagge geschwenkt wird? Egal, die Monza-Pärchen sollen auch ohne Punkte und Podestplätze die Rennseelen ihrer Besitzer ansprechen, Emotionen à la Formel 1 wecken, wo Ferrari schon einige Jahre lang nicht die erhofften Emotionen weckt und dies nun mit limitierten Icona-Sondermodellen tun will.

Bburago versucht nun, diese Emotionen bei den Sammlern von Modellautos zu wecken. Keine leichte Aufgabe für ein rollfähiges Standmodell, denn der Monza SP ist eine Fahrmaschine mit Finessen, über die man in der 18-fachen Verkleinerung leicht hinwegsehen kann. Beispiel gefällig? Lassen wir Ferrari über die „virtuelle Windschutzscheibe“ reden. Als solche wird ein „aerodynamischer Durchlass unter dem Schutzschild auf der Fahrerseite“ bezeichnet, „dessen oberer Teil wie ein Spoiler geformt ist. Ein Teil der Luft, die über die Kühlerhaube strömt, tritt in den Lufteinlass unter dem Schutzschild ein, wo sie beschleunigt und dann nach oben über die Instrumententafel abgelenkt wird. Dadurch entsteht ein starker Aufwind, der den Luftstrom über den Kopf des Fahrers lenkt…“

Tja, das ist in 1:18 nicht nachbildbar. Bburago muss es also beim nun ausgelieferten Monza SP1 mit der Formgebung der Diecast-Karosserie tun, die mit angesetzten Kunststoffteilen – teils im Carbon-Look –komplettiert wurde. An der Form der stabil ausgeführten Karosserie haben wir nichts zu meckern, schon gar nicht in Anbetracht des angesichts des niedrigen Preises für das von Ferrari lizensierte Modell zumal wir Normalbürger den SP1 auch nur von Fotos her kennen und somit das Gefühl hinter der virtuellen Windschutzscheibe nicht aus eigener Anschauung beschreiben können. Und nicht wissen, ob man beim Original die Motorhaube auch nur öffnen kann, wenn die Seitentüre geschlossen ist. Beim Modell ist das so. Also, Ihr Bburago-Ferraristi: Erst Fahrertüre schließen, dann die Motorhaube öffnen und sehen, was vom Zwölfzylinder zu sehen ist: zweifarbiger Zylinderkopf mit Ferrari-Schriftzügen, Luftansaugkanäle, … – das ist im Zeitalter der mit viel Plastik verkleideten Motorräume schon viel. Erfreulich am Modell ist, dass die hochgeklappte, an robusten Scharnieren befestigte Haube von selbst oben hält. Herunter geklappt, schmiegt sie sich mit engem Spaltmaß an die Karosserie an. Erfreulich auch, dass die Spiegel schon montiert sind und blickgerecht ausgerichtet scheinen. Dass sich die klappbare Heckhaube nach hinten zunehmend von der Karosserielinie abhebt, ist kein zu weites Spaltmaß. Das muss so sein, denn hier zeigt das Original ein schmales Leuchtenband. Dunkel, wie es am Modell korrekt umgesetzt ist, muss man das zu interpretieren wissen. Leuchtend durch einen rot-transparenten Einsatz nachgebildete Schlussleuchten hätten den Modellbesitzer nicht im Unklaren gelassen, wozu dieser Spalt dient. Ferrari zeigt den SP1 auf seiner Website nämlich auch mit aufleuchtenden Schlusslichtern. Vorne dagegen blicken uns unmissverständlich die klar identifizierbaren Scheinwerfer so an, wie es sein soll: strukturiert, ohne Pins, sauber eingepasst.

Wechseln wir die Perspektive: Für den Fahrer hält Bburago elastische Hosenträgergurte bereit. Das Cockpit selbst ist zwar detailreich in Kunststoff gestaltet und zeigt, abgesehen von der Sitzschale, wenig farbige Akzente, denn im Original herrscht auch Schwarz vor. So konzentriert sich der Blick auf den großen zentralen Drehzahlmesser, und natürlich auf das gelb-schwarze Ferrari-Enblem auf dem Lenkrad.

Kritikpunkte? Ja, davon ist auch der Monza SP1 von Bburago nicht frei. So sauber und gleichmäßig die metallicgraue Grundlackierung ist und die kraftvollen, nostalgischen Formen des SP1 betont, so wenig gefällt der breite gelbe Streifen auf der Motorhaube. Er ist scharf an den Rändern, aber in den Karosseriefalzen der Motorhaube gewinnt man bei genauem Hinsehen den Eindruck, als liefe die Farbe zusammen. Die gelbe, mit Linie und Aufschriften verzierte Heckfinne ist sauber gestaltet und kann sich rundum sehen lassen.

Ordentlich gemacht sind auch die Räder mit ihren matt silbern schimmernden Fünfarmfelgen und ausgeformten Radmuttern, mit garantiert freiem Blick auf die gelben, zweifarbig und scharf bedruckten Bremszangen. Die Vorderräder lassen sich zwar einschlagen und das Lenkrad dreht etwas mit, die Räder federn aber weitgehend wieder in Geradeausstellung zurück. Die flexible Aufhängung aller Räder sorgt dafür, dass der SP1 selbst auf einem leicht gewölbtem Untergrund mit allen Radlaufflächen satt auf dem Boden steht und kein Beinchen hebt, wie man das bei manchen Resinemodellen beobachten kann. Das sähe nämlich unsportlich aus. Der Bburago hingegen sieht sportlich aus, und sportlich ist auch sein Preis.

18-16013 Ferrari Monza SP1, R&P, graumetallic, Fertigmodell Diecast, Maßstab 1:18, ca. 40 €.

Hans-Joachim Gilbert