Caramini 07/2020 Seite 20-21

Von wegen sanftmütig

Mit dem Sián FKP 37 toppt sich Lamborghini selbst. So verschwenderisch seine Fahrleistungen sind, so sparsam wird er vermarktet. Nur 63 Exemplare wird es von diesem Hybrid-Supersportwagen geben, ein Auto für Superreiche. Ganz erschwinglich und für ein Low-Price-Modell topp gemacht ist die 1:18-Miniatur von Bburago.

Sportwagen, die Biss haben, müssen schwarz, rot, gelb oder blau sein. Intensive Farben vermitteln ein gewisses Maß an Aggressivität, ohne das kein Sportwagen ernst genommen wird. Er braucht es, es ist Teil seiner DNA. Aber ein gedecktes Grün, zumal ein Olivgrün mit samtig mattem Schimmer, das vermittelt eher Sanftmut als Bissfestigkeit. So sanftmütig wie das Biedermeiersofa, auf dem Vicco von Bülow alias Loriot und Evelyn Hamann saßen und ihre jeweils nächste filmisch erzählte Humoreske ankündigten.

Solch häusliche Gemütlichkeit ist dem Lamborghini Sián fremd. So fremd, wie er vielen Menschen ist und bleiben würde, gäbe es ihn nicht als Miniaturen zum Anfassen und Bestaunen. Offiziell auf der IAA 2019 vorgestellt, rollt er jetzt auf die Straßen. Aber der Sián ist kein Auto von der Stange. Er läuft beim italienischen Sportwagenhersteller unter der Rubrik „Limitierte Auflage“, denn er will etwas ganz Besonderes sein, und darauf deutet schon sein Name hin, der vollständig Sián FKP 37 heißt. „Sián“, das bedeutet im Bologneser Dialekt „Blitz“, ein Synonym für die Schnelligkeit dieses Automobils. In Zahlen ausgedrückt: über 350 km/h. Wer vermutet, dass Lamborghini hier ein Auto der Superlative konzipiert hat, liegt richtig. Es ist der schnellste Lamborghini aller Zeiten, der Hybrid-V12 erzeugt eine Leistung von sagenhaften 819 PS. Davon stellt der Saugmotor 785 PS bereit, 34 PS der im Getriebe integrierte Elektromotor. Eine Leistung, die den Sián FKP 37 in weniger als 2,8 Sekunden von null auf hundert katapultiert. Solch ein Auto hat Hunger nach Energie, und die holt sich der Sián zu einem Teil wieder zurück. Beim Bremsen wird ein Superkondensator geladen, eine schwere Batterie schleppt der Flachmann nicht mit sich herum.

Der Sián ist ein High-Tech-Automobil, und weil er das ist und weil er der Stolz seiner Ingenieure ist, trägt er das Kürzel „FKP 37“ im Namen. „FKP“, das sind die Initialen des 2019 verstorbenen früheren Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Ferdinand Karl Piëch, Jahrgang 1937. Er saß am Unternehmensruder, als Volkswagen 1998 Lamborghini übernahm. Stefano Domenicali äußerte sich als CEO von Automobili Lamborghini: „Professor Dr. Piëch war Ingenieur und Innovator und war insbesondere fasziniert vom legendären Lamborghini V12-Motor, auf dem der Sián FKP 37 nun mit seiner beeindruckenden Hybridtechnologie aufbaut.“

Flach und breit ist er, das sind wir von Lamborghini gewohnt, seit der Countach gebaut wurde. Die Sitzhaltung im Sián ist daher ganz anders als auf einem Biedermeiersofa, auf das zwei Personen passen. In den Sián passen auch zwei Personen, umgeben von ledernem Komfort, und omnipräsent ist das Y-Design, innen wie außen. Schon der vordere Stoßfänger greift das unverkennbare und immer wiederkehrende Stilelement „Y“ auf, die Formen der Motorhaube sind an die Designlinien des Countach angelehnt, der Lufteinlass an den Seitenschwellern erinnert an den Murciélago, lehrt uns Lamborghinis Designschule.

Da blieb den Formenbauern bei Bburago nur die Wahl, alles genau so zu machen wie die italienischen Autobauer. Die gestreckte, geduckte Form mit ihren vielen Kanten, Furchen, Y-Designs ist korrekt eingefangen, die Karosserie ist aus dünnem, absolut glatten Metall akkurat geformt, und wo sich erkennbare, aber sehr enge Spaltmaße zeigen, vermutet man richtig: Hier lässt sich was öffnen. Front- und Motorhaube im Heck sowie die beiden Flügeltüren kann man öffnen, muss sich aber nicht daran verkünsteln. Auch durch die große Frontscheibe sieht man, dass Bburago das feine Interieur in der gebührenden Anmutung nachgebildet hat, die Mittelkonsole in Carbonoptik ist mit winzigen beschrifteten Bedienknöpfen ausgestattet, sehr originalgetreu. Nur, dass Armaturentafeln und Sitze eben aus Kunststoff statt aus Leder sind.

Der V12 ist auch durch die teiltransparente Motorhaube zu betrachten, ein Relief mit einem farbig gestalteten Zylinderkopfdeckel. Vom 48-Volt-Elektromotor im Getriebe sehen wir natürlich nichts, auch nichts von den Superkondensatoren, aber die roten Bremszangen an den gelochten Bremsscheiben, die zeigt uns das Bburago-Modell gerne. Die matt schimmernde, ins Olivgrün tendierende Lackierung samt den kupferfarbenen 20‘‘-Aesir-Felgen tarnt den Wagen, macht ihn braver, als er ist.

Nur 63 Sián wird Lamborghini bauen und kann jedes Exemplar seinen solventen Kunden auf den Leib schneidern. Dann hat jeder Kunde ein Einzelstück und ist mit Sicherheit um mindestens 2,26 Millionen Euro erleichert worden, aber um 350 km/h schneller als das Sofa von Loriot. Das gab es übrigens nur einmal in echt. Und seit 2013 auch als Kopie in Bronze, vor dem Funkhaus von Radio Bremen. Da kann sich jeder mal draufsetzen. In den Sián nicht, doch als Modell macht ihn Bburago erschwinglich und wird den schnellsten Lamborghini sicher viel, viel öfter bauen als 63 Mal. Das hübsch gemachte Modell ist seinen günstigen Preis mehr als wert und muss keineswegs im Entry-Level der Vitrine verharren.

18-11046 Lamborghini Siàn FKP 37, Diecast, Maßstab 1:18, Preis ca. 40 €.

Hans-Joachim Gilbert